Bittere Pille für VW im Abgasskandal: Das Verwaltungsgericht Schleswig hat mit Urteil vom 17.01.2024 entschieden, dass die Freigabe des Software-Updates bei rund 62 Modellvarianten der Konzernmarken VW, Audi und Seat durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) rechtswidrig war (Az.: 3 A 332/20). Denn in den Fahrzeugen gebe es weiterhin eine unzulässige Abschalteinrichtung, so das VG Schleswig. Dabei geht es im Kern um das Thermofenster bei der Abgasreinigung.
Das KBA ist nach dem Urteil gefordert, gegen VW tätig zu werden und für die Entfernung der unzulässigen Abschalteinrichtungen zu sorgen. „Auch mehr als acht Jahre nach Bekanntwerden des VW-Dieselskandals sind etliche Fahrzeuge des Konzerns noch mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung unterwegs. Auf die Besitzer könnte nun erneut ein Rückruf und im schlimmsten Fall sogar die Stilllegung zukommen“, sagt Rechtsanwalt Joachim Cäsar-Preller aus Wiesbaden.
Software-Update enthält unzulässige Abschalteinrichtung
Rückblick: Im Herbst 2015 fliegt der VW-Abgasskandal auf. Millionen Dieselfahrzeuge mit dem Motor des Typs EA 189 sind mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet, die entfernt werden und ein Software-Update aufgespielt werden muss. Die Software-Updates wurden vom KBA freigegeben.
Das Problem ist dadurch jedoch nicht gelöst worden. Denn mit dem Software-Update wurde ein Thermofenster bei der Abgasreinigung aufgespielt. Dadurch arbeitet die Abgasreinigung in einem festgelegten Temperaturkorridor zwar vollständig, doch bei sinkenden Temperaturen wird die Abgasrückführung reduziert. Folge ist ein Anstieg des Stickoxid-Ausstoßes.
Thermofenster und weitere unzulässige Abschalteinrichtungen
„Der EuGH hat bereits im November 2022 entschieden, dass Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellen. Sie können nur dann ausnahmsweise zulässig sein, wenn sie den Motor vor unmittelbarer Beschädigung beschützen“, so Rechtsanwalt Cäsar-Preller.
Eine solche Ausnahme liege bei den 62 betroffenen Fahrzeugtypen jedoch nicht vor, machte das VG Schleswig in seinem Urteil deutlich. Damit folgte es seiner Rechtsprechung vom Februar 2023. Hier hatte das Gericht entschieden, dass das Software-Update bei einem VW Golf mit dem Dieselmotor EA 189 rechtswidrig war, weil es eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters enthält. Kläger damals wie heute war die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Aktuell bezeichnete das Verwaltungsgericht Schleswig nicht nur das Thermofenster, sondern auch die Reduzierung der Abgasrückführung ab einer Höhe von 1.000 Metern und die sog. „Taxi-Schaltung“, bei der nach 900 Sekunden im Stand die Abgasrückführung reduziert wird, als unzulässige Abschalteinrichtungen.
DUH kündigt weitere Klagen an
Die DUH fordert nun, dass die betroffenen Fahrzeuge eine Hardware-Nachrüstung erhalten oder deren Stilllegung mit einer entsprechenden Entschädigung für die Käufer. Derweil kündigte sie weitere Klagen an. Dann geht es um Fahrzeuge von Mercedes, BMW, Porsche, Fiat und 15 weiteren Herstellern.
Allerdings sind weder das Urteil vom Februar 2023 noch das aktuelle bislang rechtskräftig. Das VG Schleswig ließ die Revision zum Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht sowie die Sprungrevision zum BGH zu.
„Der Abgasskandal ist noch nicht zu Ende. Nicht nur bei VW, sondern auch bei anderen Herstellern, könnte es zu weiteren Rückrufen kommen“, befürchtet Rechtsanwalt Cäsar-Preller. Dabei stellt sich die Frage, ob eine Umrüstung überhaupt bei allen Fahrzeugen möglich ist. Allerdings haben die Fahrzeugbesitzer die Möglichkeit auf Schadenersatz zu klagen. Zumal der BGH im Sommer 2023 entschieden hat, dass Schadenersatzansprüche im Abgasskandal schon bei Fahrlässigkeit des Autoherstellers bestehen.
Neueste Kommentare