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Der geneigte fachkundige und interessierte Leser dürfte sich noch an den großen Paukenschlag im Jahre 2005 erinnern: In Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland war ein groß angelegter Abrechnungsbetrug von ca. 40 Ärzten und Apothekern aufgeflogen, der in der Bevölkerung Empörung ausgelöst hat und deren Vertrauen in die Ärzteschaft nachhaltig beschädigt haben dürfte. Der folgende Beitrag soll sich mit dem Tatbestand des Abrechnungsbetruges aus Sicht des Strafverteidigers befassen und insbesondere aufzeigen, wie seriöse Ärzte sich vor unrichtigen Beschuldigungen schützen oder von Schädigungen durch Kollegen geschützt werden können.
Mehr als je zuvor muss heutzutage ein Arzt damit rechnen, durch Patienten beschuldigt, von Krankenkassen an den Pranger gestellt und gegebenenfalls mit einem staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren oder gar einem Strafprozess unter anderem wegen Abrechnungsbetrug überzogen zu werden. Hauptgrund hierfür dürfte die zum Teil doch unerträglich aggressive Presseberichterstattung sein, in der dem Patienten der Eindruck vermittelt wird, er werde vom Arzt stets oberflächlich schlecht behandelt und dann auch noch mit überhöhten Abrechnungen „abgezockt“.
Als „Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen“ bezeichnet der Strafverteidiger ein besonderes Betrugsdelikt, bei dem Ärzte oder Krankenhäuser Vergütungen für Leistungen gegenüber der Krankenkasse bzw. der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) unter Vorspiegelung falscher Tatsachen abrechnen und für sich vereinnahmen. Beispiele hierfür sind: das Abrechnen von überhaupt nicht erbrachten Leistungen, das Überbewerten oder falsche Klassifizieren von Leistungen, das Abrechnen von in Wahrheit durch Klinikärzte erbrachten Leistungen als persönliche Leistung des Chefarztes, gefälschte Abrechnungen von gar nicht wirklich verbrauchten Materialien, die Abrechnung unter falschem Datum zur Umgehung von Höchstbetragsausschlüssen oder die Benutzung von gefälschten, abhanden gekommenen oder gestohlenen Versicherungskarten. Im oben angeführten Fall (in Kursivschrift) hatten die Ärzte beispielsweise durch entsprechende Abrechnung im großen Stil vorgespielt, Leistungen an Patienten erbracht zu haben, die zu diesem Zeitpunkt längst verstorben waren.
Wie konnten diese Kollegen erwarten, mit einer solchen perfiden Masche durchzukommen, ohne erwischt zu werden? Hier ist natürlich nicht zu verkennen, dass das Abrechnungssystem ärztlicher Leistungen in Deutschland sicherlich für manche schwarze Schafe der Branche insoweit verführerisch wirkt, als dass ja der Arzt zunächst einmal selbst seine Leistungen erfasst und an die zuständigen KV übermittelt.
Eine konkrete Kontrolle, ob die abgerechneten Leistungen tatsächlich erbracht wurden, findet sodann durch die KV statt, wobei diese nach dem GKV-Modernisierungsgesetz (GKV) vorgeht. Diese nimmt eine Reihe von „Plausibilitätsprüfungen“ vor, anhand derer beispielsweise ermittelt wird, ob der Arzt die gesamten abgerechneten Leistungen eines Arbeitstages überhaupt realistischerweise im Rahmen einer gewöhnlichen Arbeitszeit überhaupt hätte erbringen können. Erst wenn es hierbei Auffälligkeiten gibt, forscht die KV genauer nach. Neben der Zeit beobachtet die KV mittlerweile auch verstärkt, ob es so genannte „gemeinsame Patienten“ gibt. Dies wohl deshalb, da bei betrügerisch abrechenden Ärzten häufig auch zu beobachten war, dass diese mit Kollegen aus derselben Praxis oder auch anderer Kollegen zusammengearbeitet haben, indem sie Patientendaten aus einem System ins andere übertragen oder aber Patienten überflüssigerweise zugewiesen haben, um doppelte Abrechnungen vornehmen zu können.
Neben der KV sind auch nach dem GKV so genannte „Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen“ eingerichtet, die auf Antrag konkreten Hinweisen Dritter auf Abrechnungsbetrug nachgehen muss. Stellen die KV oder die Bekämpfungsstelle Auffälligkeiten dieser Art fest, muss weiter ermittelt und gegebenenfalls auch die Staatsanwaltschaft informiert werden, dass Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen.
Klagt die Staatsanwaltschaft sodann den Arzt wegen Abrechnungsbetrugs an, drohen diesem im Falle einer Verurteilung Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe; sollte sich ergeben, dass er so wiederholt Abrechnungsbetrug begangen hat, dass schon von einem gewerbsmäßigen Handeln auszugehen ist, sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe von einem halben bis zu zehn Jahren vor. In den meisten Fällen wird der Arzt auch mit berufsrechtlichen Konsequenzen bis hin zu einem Berufsverbot und/oder dem Verlust seiner Approbation rechnen müssen.
Um hier aber keine unnötigen Ängste zu schüren: ein Betrugsdelikt ist nur dann strafbar, wenn es vorsätzlich begangen wird. Tatsächlich ist es in der Praxis so, dass sich in einer Vielzahl von Fällen, in denen Ärzte von der KV oder einzelnen Krankenkassen des Abrechnungsbetruges bezichtigt werden, später herausstellt, dass der Arzt lediglich einen reinen Abrechnungsfehler begangen hat, also versehentlich oder durch Unachtsamkeit eine nicht erbrachte Leistung abgerechnet hat, beispielsweise in Gestalt eines Zahlendrehers oder einer falschen Datumseingabe. Hierin wäre also allenfalls ein fahrlässiges Verhalten zu sehen. Um den Tatbestand desAbrechnungsbetruges zu erfüllen, muss der Arzt aber schon absichtlich falsch abrechnen und auch die finanziellen Vorteile dieser Tat für sich absichtlich in Anspruch nehmen wollen. Es liegt zum Beispiel selbst dann kein entsprechender Vorsatz vor, wenn der Arzt zwar nach dem Tode des Patienten, aber noch innerhalb des „Sterbequartals“ eine Leistung abrechnet, was jedoch dadurch bedingt ist, dass Laborauswertungen erst nach dem Tod vorlagen und auch dann erst abgerechnet werden konnten.
In jedem Fall kann dem beschuldigten Arzt nur empfohlen werden, frühzeitig kompetente anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, um den Vorwürfen sachgerecht entgegentreten zu können. Schließlich hat er ein Interesse daran, das Verfahren möglichst schnell vom Eis zu bekommen, da sich, selbst wenn an den Anschuldigen nichts Wahres sein sollte, allein der Umstand, dass gegen den Arzt auch nur ermittelt wird, bei Patienten und Kollegen rufschädigend auswirken kann.
Statistisch gesehen wurden im Jahre 2005 ca. 15.000 staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren gegen Ärzte, Krankenhäuser und Apotheken geführt; die Tendenz ist steigend. Der Gesamtschaden durch Abrechnungsbetrügereien lässt sich auf ca. 150 Millionen Euro beziffern. Hauptgeschädigte dabei sind übrigens nicht etwa in erster Linie die Patienten oder Krankenversicherungen, wie die Medien dies verstärkt glauben machen wollen. Dadurch, dass die zuständige KV eine Verteilung der Gesamtvergütung auf die Vertragsärzte in ihrer Region vornimmt, schädigen Ärzte, die bei der bei der Abrechnung betrügen, bei dieser gedeckelten Gesamtvergütung direkt und unmittelbar ihre eigenen, korrekt abrechnenden Kollegen. Auch hierdurch besteht also ein gewichtiges Interesse der Ärzteschaft, gegen falsch abrechnende Kollegen vorzugehen.
Joachim Cäsar-Preller Rechtsanwalt

Erfahrungen & Bewertungen zu Kanzlei Cäsar-Preller