Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim, hat mit Beschluss vom 05.02.2015 (10 S 2471/14) festgelegt:
Überschreitet der Lärm, der von einer Baustelle ausgeht, die „Eingreif-Richtwerte“ der AVV Baulärm, können Nachbarn verlangen, dass die Immissionsschutzbehörde einschreitet und, sofern früher angeordnete Maßnahmen unwirksam geblieben sind, konkrete Einzelmaßnahmen ergreift. Missachte der Bauherr vollziehbare behördliche Anordnungen wiederholt und hartnäckig, könne auch der Betrieb der Baustelle vorläufig untersagt werden.
Die Antragstellerin ist Mieterin einer Wohnung im vierten Obergeschoss eines Gebäudes neben einer Großbaustelle in einem Mischgebiet (Gewerbe/Wohnen) in Böblingen. Sie beschwerte sich seit Baubeginn über unzumutbaren Lärm. Die zuständige Behörde als Antragsgegner ordnete Maßnahmen zur Lärmminderung an, setzte die in der AVV Baulärm für Mischgebiete festgelegten Immissions-Richtwerte fest (60 dB(A) tags von 7 bis 20 Uhr, 45 dB(A) nachts von 20 bis 7 Uhr) und drohte den Beigeladenen Buherinnen bei Nichtbefolgung der angeordneten Maßnahmen Zwangsgelder von 1.000 bis 1.500 Euro an.
In der Folge rügte die Antragstellerin, dass die Buherinnen die Anordnungen nur ungenügend umsetzen. Die Immissions-Richtwerte wurden ständig überschritten. Sie beantragte daher beim Verwaltungsgericht Stuttgart eine einstweilige Anordnung mit weitergehenden Maßnahmen zur Lärmminderung. Das VG lehnte den Antrag mit der Begründung ab, der Antragstellerin fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil die Behörde bereits geeignete Maßnahmen ergriffen habe. Dagegen legte die Antragstellerin Beschwerde ein.
Die Beschwerde hatte Erfolg. Der VGH hat den Antragsgegner durch einstweilige Anordnung unter anderem dazu verpflichtet, sich von den beigeladenen Buherinnen wöchentlich Lärmprognosen sowie einen Maßnahmenkatalog zur Minderung des Baulärms auf zulässige Richtwerte vorlegen zu lassen, und bei Überschreitungen der Lärm-Richtwerte die Bauarbeiten vorläufig einzustellen, sofern der Baulärm nicht nachweislich unvermeidbar ist. Die Antragstellerin habe Anspruch darauf, dass die Immissionsschutzbehörde gegenüber den Bauherrinnen weitere geeignete Maßnahmen zur Lärmminderung anordne, weil die bisher angeordneten Maßnahmen ohne durchgreifenden Erfolg geblieben seien.
Die Behörde habe nach dem BImSchG zwar grundsätzlich ein Ermessen, ob und mit welchen Mitteln sie nach diesem Gesetz einschreite und ob sie einen Baustopp anordne, aber dieses Ermessen sei hier zugunsten der Antragstellerin „auf Null reduziert“.
Die Bauherrinnen hätten die nach der AVV Baulärm in einem Mischgebiet zulässigen Lärmwerte hartnäckig und für eine beträchtliche Zeitdauer überschritten. Das sei durch zahlreiche schalltechnische Messungen nachgewiesen. Die Antragstellerin werde dadurch irreversibel Lärmimmissionen ausgesetzt, die sich zumindest an der Grenze zur Gesundheitsgefahr bewegten. Der Grundsatz effektiven Rechtschutzes gebiete daher, die Immissionsschutzbehörde zu einem weitergehenden Einschreiten zu verpflichten und ihr auch konkrete Einzelmaßnahmen aufzugeben.
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