Eine Lebensversicherung besitzt fast jeder Haushalt in Deutschland. Und das, obwohl die Renditeentwicklungen der meisten Lebensversicherungen weit hinter dem zurückbleiben, was einem bei Abschluss vorgerechnet wurde. Schuld daran sind die hohen Abschlusskosten und die schlechten Anlagerenditen, die viele Versicherer in den letzten Jahren erwirtschaftet haben. Bisher gab es für unzufriedene Eigentümer einer Lebensversicherung nur die Möglichkeit zu kündigen, die Lebensversicherung zu verkaufen oder zu beleihen.
Neuerdings gibt es eine weitere Option: ein nachträglicher Widerruf des Vertrags. Denn der Bundesgerichtshof (BGH) hat in mehreren Urteilen (Az.: IV ZR 76/11, IV ZR 384/14, IV ZR 448/14) entschieden, dass viele Lebensversicherungskunden ihren alten Vertrag noch widerrufen können.
Hierauf weist der Wiesbadener Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht Joachim Cäsar-Preller hin.
Hierbei spielt es keine Rolle, ob es sich um einen fondsgebundenen Vertrag oder einen Vertrag ohne Fondsanlage handelt. Insbesondere auch Riester-Rentenversicherungen (auch Förderrenten genannt) und Rürup-Rentenversicherungen (auch Basisrentenversicherungen genannt) aus dem obigen Zeitraum fallen unter die Regelung. Wie der BGH in seinem Urteil vom Mai 2014 mitteilte, können auch bereits gekündigte Lebensversicherungen rückabwickelt werden, solange sie bis zum 01.01.2003 noch liefen.
Ob sich der Widerspruch lohnt, lässt sich nicht pauschal beantworten, erläutert Cäsar-Preller. Generell gilt:
Je jünger der Vertrag ist, desto eher lohnt es sich, ihm zu widersprechen. Dies betrifft vor allem die Verträge aus 2005 bis 2007. Denn diese Verträge haben zum einen nicht mehr das Privileg, in der Auszahlung steuerfrei zu sein. Zum anderen liegt die Anfangsphase, in der die Abschlusskosten abgezogen wurden, noch nicht so lange zurück, so dass in den vielen Fällen der aktuelle Vertragswert unter den eingezahlten Beiträgen liegt – selbst wenn man die Risikobeiträge für den Versicherungsschutz berücksichtigt. Aber auch die zahlreichen 2004 mit dem Steuervorteil abgeschlossenen Lebens- und Rentenversicherungen leiden meist noch unter den abgezogenen Abschlusskosten.
Wenn ein Riester-Vertrag rückabwickelt wird, werden der Police sowohl die Zulagen als auch die Steuerrückzahlungen abgezogen, die der Versicherungsnehmer über die Jahre erhalten habt. Hier muss also aufgepasst werden, wenn der aktuelle Vertragswert mit den eingezahlten Beiträgen verglichen wird. Dennoch kann es sich auch bei einer Riester-Rentenversicherung lohnen, für diese nachträglich einen Widerspruch durchzusetzen, denn auch hier sind in der Regel hohe Abschlusskosten angefallen.
Bei älteren Verträgen, gerade aus den 90er Jahren, sollte vorsichtig mit einem Widerspruch umgegangen werden. Oft haben sich diese Verträge trotz der hohen Abschlusskosten schon vernünftig entwickelt. Zudem genießen sie das Privileg einer steuerfreien Auszahlung, das es heute nicht mehr gibt. Klassische Kapitallebensversicherungen aus dieser Zeit haben außerdem eine hohe Verzinsung im Vergleich zu heute.
Je weniger an zusätzlichem Versicherungsschutz Sie vereinbart haben, desto eher lohnt sich der Widerspruch. Wenn Sie also eine niedrige oder gar keine Todesfallsumme in Ihrer Police haben und keinen Berufsunfähigkeits- oder Unfallschutz, dann lohnt es sich für Sie eher.
Ganz vorsichtig sollte mit der Möglichkeit des Widerrufes umgegangen werden, wenn der Vertrag mit einer echten Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung kombiniert ist, wenn also im Falle einer Berufsunfähigkeit eine monatliche Rente ausbezahlt wird. Diese Versicherung sollte nur in Ausnahmefällen gekündigt werden. Hier ist es in vielen Fällen besser, den Beitrag zur Hauptversicherung, also den Sparanteil, zu reduzieren.
Eine allgemeine Beurteilung, ob sich ein Widerspruch lohnt, ist nicht möglich. Allein die Betrachtung, ob mehr eingezahlt wurde, als der Vertrag heute wert ist, reicht zur Beurteilung nicht aus – stellt jedoch trotzdem einen wichtigen Anhaltspunkt dar.
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