von Rechtsanwältin Gaber
Alltag in der erbrechtlichen Beratungspraxis der Rechtsanwaltskanzlei Cäsar-Preller: Einem „missliebigen Abkömmling“ soll jede Teilhabe am späteren Erbe verwehrt werden. Man sieht überhaupt nicht ein, dass der Abkömmling in irgendeiner Weise nach dem Tode der Eltern am hart erarbeiteten Familienvermögen partizipiert. Nach deutschem Recht ist es selbstverständlich kein Problem, per Testament eine Enterbung auszusprechen, wofür nicht einmal die Angabe von Gründen erforderlich ist. Allerdings bleibt es dabei: Der Abkömmling hat dann grundsätzlich das Recht, den Pflichtteil zu verlangen, also die Zahlung einer Geldsumme, die wertmäßig der Hälfte des gesetzlichen Erbteils entspricht.
Wie kann diese ungewünschte Folge vermieden werden? Viele fragen nach der so genannten „Pflichtteilsunwürdigkeit“ bzw. den Pflichtteilsentziehungsgründen. Unter welchen Voraussetzungen ist es möglich, dem Abkömmling nicht nur den gesetzlichen Erbteil, sondern auch den kompletten Pflichtteil zu entziehen? Und was hat sich in diesem Zusammenhang durch die Erbrechtsreform 2010 geändert?
- Der Abkömmling trachtet dem Erblasser oder einer dem Erblasser nahe stehenden Person nach dem Leben (§ 2333 Abs. 1 S.1 BGB) Der Sinn der Vorschrift versteht sich von selbst: Natürlich kann es die Rechtsordnung nicht hinnehmen, wenn ein Abkömmling sich ernsthaft anschickt, den Tod des Erblassers herbeizuführen, und dann nach dem Tod auch noch Pflichtteilsansprüche gegen den Nachlass geltend macht. Vor der Erbrechtsreform war der Kreis der Personen, denen der Abkömmling nach dem Leben hätte trachten müssen, beschränkt auf den Erblasser selbst, seinem Ehegatten oder einem anderen Abkömmling; nach der Reform kann jede dem Erblasser nahe stehende Person gemeint sein. Der praktische Anwendungsbereich der Norm bzw. die Anzahl der betroffenen Fälle dürften – dankenswerterweise! – weiterhin gering bleiben.
- Der Abkömmling macht sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Erblasser oder eine dem Erblasser nahe stehende Person schuldig (§ 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB) Im Vergleich zur alten Rechtslage: Wiederum wurde der Kreis der betroffenen Personen vergrößert. Wie schwer ein Vergehen aber sein muss, damit ein Pflichtteilsentziehungsgrund vorliegt, ist immer noch nicht ausdrücklich geregelt. Bedauerlicherweise besonders praxisrelevant hierbei: Was passiert, wenn ein Abkömmling, am besten noch unter Missbrauch einer Stellung als Betreuer oder Bevollmächtigter des Erblassers, dessen Konten „leer räumt“ und die Geldmittel für sich verwendet? Genügt dies für eine schwere Verfehlung? Es wird weiterhin dabei bleiben, dass durch eine Beurteilung im Einzelfall festgestellt werden muss, ob der Abkömmling durch die Verfehlung gegen den Erblasser eine „grobe Missachtung des Eltern-Kind-Verhältnisses zum Ausdruck bringt. Hier hätte der Gesetzgeber durchaus auch im Gesetzeswortlaut einmal für mehr Klarheit sorgen können.
- Der Abkömmling wird wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr ohne Bewährung verurteilt und die Teilhabe am Nachlass ist deshalb für den Erblasser unzumutbar (§ 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB). Die größte Änderung: Vor der Reform bestand ein Pflichtteilsentziehungsgrund dann, wenn der Abkömmling einen „ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel wider den Willen des Erblassers“ führe- eine kaum griffige Formulierung. Klar ist, welche Fälle insbesonderegemeint sein sollten, nämlich die des drogen- oder alkoholabhängigen oder kriminellen Abkömmlings. Jenseits hiervon ist die Beurteilung, was ehrlos oder unsittlich ist, sehr von der Einzelperson abhängig. Weigert sich zum Beispiel ein Abkömmling, das Familienunternehmen weiterzuführen, ergreift er einen Beruf, mit dem die Eltern nicht einverstanden sind, oder bekennt er sich zu seiner Homosexualität, wird es sicherlich Menschen geben, die dies als ehrlos oderunsittlich betrachten. Doch können dies tatsächlich Pflichtteilsentziehungsgründe sein? Das neue Gesetz schafft insoweit etwas Rechtsklarheit: Nur wenn der Abkömmling zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und diese auch „absitzen“ muss, kann ihm der Pflichtteil entzogen werden. Noch dazutreten muss die Unzumutbarkeit der Teilhabe am Nachlass für den Erblasser: Der Gesetzgeber wollte insoweit keine vollständige Abkopplung der Vorschrift vom Schutz der Familienehre vorgenommen wissen.
Fazit: Der Gesetzeswortlaut wurde an einigen Stellen wesentlich klarer gefasst als zuvor, doch an anderen Stellen scheinen an sich notwendige Klarstellungen ausgespart worden zu sein. Ebenso bleibt es dabei: In den „normalen Fällen“ wird eine Pflichtteilsentziehung weiterhin nicht möglich sein, also beispielsweise, wenn Eltern und Abkömmling „nur“ zerstritten sind oder gar keinen Kontakt mehr zueinander haben. Auch wenn dem Elternteil vom Abkömmling „nur“ Kränkungen zugefügt wurden, ist und bleibt die Pflichtteilsentziehung häufig kein geeignetes Instrument, um den Abkömmling von der Teilhabe am Nachlass auszuschließen.
Schließlich ist noch wichtig zu wissen: Die Pflichtteilsentziehung tritt, selbst wenn einer der vorbeschriebenen Gründe vorliegt, nicht etwa von selbst kraft Gesetzes ein. Vielmehr muss der Erblasser diese in einer letztwilligen Verfügung wie seinem Testament ausdrücklich anordnen (§ 2336 BGB). Es obliegt dem Erblasser, hier ausdrücklich anzugeben, weshalb er seinen Abkömmling auch hinsichtlich des Pflichtteils von der Teilhabe am Nachlass auszuschließen wünscht. Um dies auch hinreichend rechtssicher formulieren zu können, kann nur dazu geraten werden, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
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