Karlsruhe kritisiert die Auslegung des Bundesgerichtshofs. Tausende neue Prozesse werden erwartet.
Genau 22 Jahre hatte die Ehe gehalten. Dann die Trennung und zwei Jahre später die Scheidung. Die geschiedene Ehefrau war in jungen Jahren aus ihrem erlernten Beruf als technische Zeichnerin ausgestiegen, um sich um die zwei Kinder und den Haushalt zu kümmern. Später verdiente sie mit kleineren Teilzeitjobs etwas zum Haushaltseinkommen hinzu. Sechs Jahre nach der Scheidung heiratete der Ex-Ehemann wieder und setzte kurz darauf vor Gericht durch, dass er nun statt 761 € nur noch 488 € im Monat Unterhalt an seine erste Ehefrau zahlen muss.
Auf so einen für deutsche Familien typischen Fall hatte ein Familienrechtsanwalt gewartet. Der Anwalt zog mit seiner Mandantin vor das Bundesverfassungsgericht in Karlruhe, welches der geschiedenen Ehefrau Recht gab. Die Entscheidung, die am Wochenende veröffentlich wurde, stellte unmißverständlich fest: Der Unterhalt für die geschiedene Frau muss unabhängig davon bestimmt werden, ob der zahlungspflichtige Ex-Partner erneut geheiratet hat. Maßgeblich seien vielmehr die Lebensverhältnisse zum Zeitpunkt der Scheidung.
Das höchste deutsche Gericht in Karlsruhe verwarf damit das vom Bundesgerichtshof im Jahr 2008 für solche Fälle entwickelte Dreiteilungsverfahren als verfassungswidrig. Dieses sieht vor, dass im Fall einer Neuverheiratung die zur Verfügung stehenden Einkünfte den beiden jetzigen Eheleuten sowie dem Geschiedenen zu gleichen Teilen zustehen. Dieses umstrittene Verfahren führte regelmäßig dazu, dass die Ex-Frauen weniger Unterhalt bekamen, als ihnen nach der alten Rechtsprechung zugestanden hätte.
„Das ist eine schallende Ohrfeige für den Bundesgerichtshof. Der Richterspruch werde eine große Zahl an Folgeprozessen nach sich ziehen“, meint Rechtsanwalt Joachim Cäsar-Preller. „Denn in allen Fällen, in denen ein unterhaltspflichtiger Geschiedener wieder heiratete, müssen die Unterhaltsansprüche nun anders berechnet werden. Und diese Konstellation gibt es häufig“, sagt Rechtsanwalt Cäsar-Preller. In derTat geht laut Statistik jeder zweite Geschiedene eine neue Ehe ein. Seit drei Jahren ist das neue Unterhaltsrecht in Kraft. Galt zuvor der berühmte Grundsatz „Einmal Chefarztgattin, immer Chefarztgattin“, stärkte der Gesetzgeber mit seiner Reform den Grundsatz, dass jeder Partner nach der Scheidung selbst für seinen Lebensunterhalt aufkommen muss. Seither gilt, dass die Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder vorrangig sind. Auf dem zweiten Rang folgen die Ansprüche der Partner, die kleine Kinder zu versorgen haben. Erst dann sind die kinderlosen Geschiedenen an der Reihe. Lediglich langjährige Ehepartner können auf einen dauerhaften Unterhalt hoffen.
Mit dieser Entscheidung wird sich hinsichtlich der Alt-Ehen sehr viel ändern.
Mitgeteilt von Rechtsanwalt Joachim Cäsar-Preller, Wiesbaden
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